Produktion in der Tofurei Engel Ottenbach

Junge Idealisten am Werk

Anfang der 1980er Jahre begannen einige junge Idealist:innen in Zürich, Zug und Luzern unabhängig voneinander Tofu herzustellen. Sojaprodukte waren damals in der Schweiz noch fast unbekannt und nur schwer erhältlich. Die Ernährungsberaterin Verena Krieger hatte Tofu in Japan kennengelernt und wollte die pflanzliche Spezialität auch in der Schweiz bekanntmachen. Hansruedi Oppliger und Gernot Schneider produzierten seit einiger Zeit Tofu in Zug und verkauften ihn im alternativen Projekt „Lade“. Gleichzeitig experimentierten Lukas Kelterborn und Jurai Marcinko in Zürich mit der Tofuherstellung. Die jungen Leute erfuhren voneinander und setzten sich 1981 zusammen, um über ein gemeinsames Projekt der professionellen Tofuproduktion zu diskutieren.
Tatsächlich schafften sie es, schon beim ersten Treffen ein Firmenprogramm zu erstellen. Hansruedi schrieb dazu in seinem Bericht zum 20jährigen Jubiläum der Tofurei Engel: „Es war ideologisch total überladen: Tofu aus lokalen biologischen Sojabohnen, täglich frisch und handwerklich in einem Kleinbetrieb hergestellt, auf kürzestem Wege zum Kunden, keine Frauendiskriminierung und atomstromfrei usw.“
Sie gründeten die einfache Gesellschaft „Sojalade“ am 11. September 1981 in Zürich. Die kleine Firma nahm ihren Betrieb provisorisch in der Waschküche eines Abbruchhauses in Zürich Höngg auf, die mit viel Elan von den Gründungsmitgliedern zum Produktionsraum umgebaut wurde: „Rasch die Türe mit dem Brecheisen verbreitert, auf dem Elektrotableau ein paar Drähte untergeklemmt, damit wir drei Phasen zusammenkriegten und los gings.“

Alter Lieferschein Tofurei Engel Ottenbach

Kollektivträume in Ottenbach

Etwa ein Jahr später zog das junge Unternehmen um in die alte Metzgerei im Keller der Genossenschaftsbeiz Engel in Ottenbach. Daher der Name „Engel Tofu“. Der Gasthof Engel in Ottenbach war weit über das Dorf hinaus bekannt und ein beliebter Treffpunkt der alternativen Szene. Die Tofurei passte mit ihrem Idealismus und der basisdemokratischen Organisationsweise gut in dieses Umfeld. Kurz nach dem Umzug, am 22. Oktober 1982, wurde die Genossenschaftstofurei Engel gegründet. Auch in Ottenbach musste wieder ein Raum komplett umgestaltet werden, um ihn für die Tofuproduktion einzurichten. Doch es lohnte sich, denn die Kollektivbeiz Engel und die Engel Tofurei blieben 15 Jahre, über die gemeinsamen Räumlichkeiten hinaus, eng verbunden.
Die Grundsätze der ersten Jahre blieben erhalten. Die Sojabohnen konnten zwar anfangs nicht aus Europa bezogen werden, weil damals schlicht und einfach fast gar kein Soja in Europa angebaut wurde. Trotzdem hat man immer versucht, die Bohnen aus sozial- und umweltverträglichen Quellen zu beziehen. Anfangs stammten sie vor allem aus den USA, später auch aus Frankreich oder von einem brasilianischen Kleinbauern-Solidaritätsprojekt. Zudem hat Engel Tofu immer auch den Sojaanbau in der Schweiz gefördert und die Rohstoffe wo möglich von regionalen Projekten bezogen.
Anfangs hatte die Tofurei mit den üblichen Problemen der Selbsverwaltung zu kämpfen; Meinungsverschiedenheiten, lange Arbeitszeiten, geringer Umsatz. Doch während der Zeit in Ottenbach entwickelte sich der kleine Betrieb zu einem stabilen Unternehmen, unter anderem durch die Übernahme der Geschäftsführung durch Paul Rippstein 1993. Deshalb war es auch keine Frage, dass man den Betrieb an einem anderen Ort weiterführen wollte, als die Engel-Liegenschaft 1997 totalsaniert werden sollte.

Tofurei Engel Zwillikon

Professionalisierung in Zwillikon

Neue Produktionsräumlichkeiten fand man in der Nachbargemeinde Zwillikon in der ehemaligen Milchsammelstelle. Auch dieses Gebäude musste erst den Ansprüchen der Tofuproduktion angepasst werden.
Während der Zeit in Zwillikon professionalisierte sich das genossenschaftliche Unternehmen weiter. 2003 wurde Engel Tofu als Marke registriert. Das Wissen um die Tofuherstellung wurde stetig erweitert und das Handwerk perfektioniert. Die kollektive Organisationsform wurde im täglichen Prozess kontinuierlich angewendet und weiterentwickelt. Mit dem Anstieg der Nachfrage nach vegetarischen und veganen sowie biologisch zertifizierten und nachhaltigen Produkten in den letzten Jahren konnte die Tofurei Engel ihr Produktionsvolumen stetig steigern. 2011 arbeiteten noch sechs Genossenschafter:innen in der Tofurei, heute sind es drei Mal so viele.
Trotzdem bleibt die Tofurei Engel ein „Projekt von Idealisten“, wie der Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern 2011 in einem Artikel zum 30-jährigen Jubiläum konstatierte. Alle Genossenschafter stehen hinter den Grundsätzen des Unternehmens. Die Ziele aus der Anfangszeit, die Hansruedi Oppliger als ideologisch überladen bezeichnet hat, sind heute fast alle umgesetzt: Die Sojabohnen stammen aus Norditalien, täglich wird frisch und immer noch handwerklich produziert, alle Genossenschafter:innen arbeiten zu gleichem Lohn, und sogar der Strom wird zumindest zu einem Teil aus Sonnenenergie gewonnen.
Bei der Gründung der Genossenschaft war Tofu in der Schweiz noch unbekannt, heute ist er ein beliebtes und etabliertes Produkt in der vegetarischen Küche der Gastronomie und des Privathaushalts. Daran hat die Tofurei Engel als Pionierin grossen Anteil. Über die vielen Jahre des Betriebs hat sich das Unternehmen sowie die einzelnen Mitarbeiter zu Experten der Tofuhertsellung entwickelt. Ein Höhepunkt dieser Entwicklung war die Sonderauszeichnung des damals neu entwickelten Soja Paneer mit der Gourmet Knospe durch BioSuisse 2014.

 

Umzug nach Widen

Im Sommer 2017 bezog die Tofurei Engel ein weiteres Mal neue Räumlichkeiten. Erstmals in der Geschichte des Betriebs wurde ein speziell auf die Bedürfnisse der handwerklichen Tofuproduktion zugeschnittenes Gebäude gebaut, statt dass ein alter Raum umgestaltet werden musste.
Auch am neuen Standort wird die über all die Jahre perfektionierte handwerkliche Fertigung beibehalten. Und auch an der Betriebsorganisation ändert sich nichts; die Tofurei bleibt ein selbstverwalteter Betrieb im Sinne seiner Ursprünge.

Genossenschaft Tofurei Engel, Allmend 3, 8967 Widen, Tel 044 761 23 49, Mail